MEINE REISE NACH KOOLO HINDE/GUINEA (1-4) + PROLOG
PROLOG
Am 18.Januar 2017 veranstaltete die Klinikleitung der Klinik Rotes Kreuz Frankfurt am Main eine offizielle Abschiedsfeier für mich und zwei weitere Kollegen. Im Juli 2016 stellte ich meine Kooperationstätigkeit an der Klinik ein, nachdem ich im Juni 2014 meine chirurgische Praxis in Offenbach am Main abgegeben hatte. Bereits am 13. Dezember 2016 hatte ich mich mehr oder weniger festgelegt, dem Vorschlag von Rainer zuzustimmen, mit MANGO e.V. eine dreiwöchige Reise nach Guinea zumachen, um dort in Koolo Hinde an deren zweimal dreiwöchigen jährlichen Hilfseinsatz teilzunehmen. Zwei Teams sollten also jeweils drei Wochen fahren; im zweiten Team fehlte noch ein Chirurg. Die Vorbereitung auf diese „Reise“, eine Reise in eine andere Welt, keine Urlaubsreise, keine akademische Studienreise, keine Forschungsreise, nicht mal eine gemeinsame Reise mit Jutta, war bei weitem nicht nur organisatorischer Natur, sie verlangte einige mentale und psychische Anstrengungen. Ein Brunchtreffen bei Angelika am 14. Januar mit Kennenlernen der Frankfurter Teilnehmer, der Besuch des Gesundheitsamtes in Frankfurt bei René mit Gelbfieber- und Meningitisimpfung am 11. Januar, ein prophylaktischer Zahnarztbesuch am 6. Januar, ein Berlinbesuch zur Jahreswende bei Walburga und Bernhard und deren Versorgung mit allerlei Nützlichem, also die Afrikaerfahrenen meiner Familie mit einem Besuch der guineischen Botschaft bei Frau Wendler zum Visumerhalt, die Versorgung mit persönlichen Medikamenten durch Schwester Elisabeth, deren Oxofloxazin-Beschaffung für MANGO (bis heute keine Rechnung!), die Spende von Atemkalk und Filtern von Mohamed, Shoppingbesuche bei Globetrotter in Frankfurt, das und vieles mehr waren nur die organisatorischen Eckdaten der Vorbereitung. All dies war aber nicht nur notwendig, weil es die Voraussetzung für die Reise war, sondern auch, weil durch das Abarbeiten dieser Pflichtübungen der Kopf und die Seele ebenfalls vorbereitet wurden, weil immer wieder kleine und größere Entscheidungszüge auf dem Schachbrett der Hirntätigkeit vorgenommen wurden, die am Ende die Reiseentscheidung wie eine Selbstverständlichkeit erscheinen ließen. Somit wurden mir alle evtl. vorhandenen Ängste, alle Zweifel und Bedenken doch relativ bald genommen. Jutta unterstützte mich dabei von Anfang an, und auch das war nicht selbstverständlich.
Tagebuch-Protokoll 27.01.2017 – 18.02.2017 (1)
Es geht los…
27.1. Freitag um 5.15 h mit Jutta am Flughafen Frankfurt, Terminal 2, in der Abflughalle eine lange Schlange am einzig geöffneten Doppelschalter. James mit Frau und Hund kommen, Julia kommt, Bailo mit Schwiegermutter und Schwägerin. Einchecken klappt, Gepäck passt, kein Umpacken nötig. Sicherheitskontrolle mit Abschied von Jutta: auch das klappt. In der Wartehalle denken wir, wir seien die ersten, dann kommt „letzter Aufruf“: Ah, die letzten! Auf in den Bus zum HOP-Flieger, Intercity-Gesellschaft der Air France. Pünktliche Ankunft in Paris, Flughafen Charles de Gaulle, dafür jetzt lange Busfahrt, Sicherheitskontrolle, erneut lange Busfahrt bis zur Abflughalle. Hier treffen wir mit dem Rest der Truppe zusammen. Teilweise auch Irrwege hierhergefahren und gelaufen. Conny und Anne-Marie, Eva, Andreas und Karl aus München/Immenstadt, und Tina und Simon aus Berlin/Dresden. Abflug soll 2 Stunden später sein! Also ein wenig Zeit zum Beschnuppern, Kennenlernen. Irgendwann nach langer Wartezeit mit Snacks, Getränken, Toilettengang geht’s los. Nach erneuter Busfahrt Ankommen bei unserem Flieger der Air France A 330 nach Conakry. Sitz 28 J eingenommen, Fensterplatz frei, das ist angenehm. Einrichten des Handgepäcks und dann Brief von Jutta gefunden (Herzblattgeschichte – rührend im positivsten Sinne: „Der Mond am Himmel verbindet uns die nächsten drei Wochen“). Im hinteren Teil des Fliegers plötzlich Tumult, Palaver, Geschrei, wohl einiger afrikanischen Fluggäste. Neue Abflugzeit: 12.30 h verzögert sich auf 13.00h, 13.20 h… Ich gehe zu Bailo und Julia, auf der anderen Seite der Sitzreihe (2-4-2). Julia erzählt, dass es bereits im Flieger nach Paris – in Ffm noch -Schwierigkeiten mit einem sich wehrenden Abschiebehäftling/-Flüchtling und den begleitenden Polizisten gegeben habe. Dieser wollte wohl nicht freiwillig sich der Gewalt unterwerfen, wurde jedoch ruhig, weil einsichtig (?). Die französische Polizei hat ihm nun wohl bei der Übernahme gleich Handschellen angelegt und so in das Flugzeug gesetzt. Die Unruhe ging jetzt – so hörte ich später – von einer afrikanischen Mutter mit zwei Kindern aus, die sich darüber beschwerte, dass ein Afrikaner in Handschellen von europäischen (weißen) Polizisten abgeführt wird. Das könne sie ihren Kindern nicht zumuten, da es an die Zeit der Sklaverei erinnere, was Bailo auch so formulierte. Ach ja! Sie brachte es aber fertig, einen Riesentumult zu veranstalten, Kindergeschrei zu provozieren und der relativ spät eingreifende Pilot konnte mit beschwichtigenden Worten und dem Verlesen von Verträgen und Verordnungen keine Ruhe herstellen. Schließlich ist es 13.30 h: Der Flugkapitän erklärt, dass Häftling und Polizeibegleitung das Flugzeug verlassen. Sic! Und jetzt wird doch noch mein Fensterplatz besetzt. Abflug (Kaugummi ist schon dreimal ausgelutscht): 13.38 h, statt 11.00 h. 14.03h: Es gibt Kopfhörer, ich habe aber Hunger! Conny aus Immenstadt hatte zum Glück Schwarzbrot mit Schinken in Paris verteilt. Wo sitzen die eigentlich jetzt alle? 14.26h: Es geht über Nantes in die Biscaya. 15.05 h Spanien: Es gibt (wenigstens schon mal ;-)) Merlot, Wasser, Chips. Eigentlich riecht es nach Mittagessen.
Mein arabischer Nachbar geht in die innere Emigration und schläft. 15.53 h: Straße von Gibraltar, Tarifa?, Loule! Ist dort unten nicht Walburga gerade? Merlot, der Zweite, Repas fini – jetzt Kaffee und Cognac. Temp. Außen – 64 ° Fahrenheit, Vitesse 937 km (oder mph?), Alt. > 11000 m (oder feet?), Atlantik. Durée de vol restante: 2:50 h, um 16.51 h noch 1:56. Es geht doch! Hinter Agadir nach Samara: Alt 40.000 feet und -88° F. Mein Nachbar kommt langsam zu sich, Unterhaltung auf Französisch möglich. Er Kommt aus Mauretanien, den Namen der Hauptstadt „Nouakchott“ hatte ich dahin noch niemals gehört. Er war geschäftlich in Paris für eine große Fischerei. Verhandlungen mit Frankreich. Erzählt viel über die Probleme Afrikas. Fischerei im Wüstenstaat Mauretanien wohl die einzige wirkliche Einkommensgrundlage. 18.35 h Nouakchott, Mauretanien, noch Fotos mit M’Hassen (Alioune) mit und ohne Hut, Tel-Nr. ausgetauscht und Einladung erhalten. Unter uns nur Sand und Wüste. Zum Glück betonierte Landebahn für die Zwischenlandung. Hauptstadt liegt noch 40 km entfernt. Gelegenheit, die Beine zu vertreten. 19.00 h wieder Platz nehmen. Das Gepäck (Handgepäck) wird vor dem Weiterflug auf Zuordnung kontrolliert. Klappen zu! Ortszeit: 18.00 h! Dann 18.45 h (OZ): prêt à partir! 20.15 h Ankunft in Conakry, Internationaler Flughafen Gbessia (CKY). Mit Bus Fahrt ins Hotel Mariador Palace. Nicht wirklich schrecklich weit, aber unterwegs bei Stockdunkelheit viel Gewimmel am Straßenrand.
Tatsächlich warten noch Teta und Bill. Deutsch-amerikanische Nichte von Jutta, die hier in der amerikanischen Botschaft arbeitet. Welche Freude, auf beiden Seiten. Während die anderen schon ihr Zimmer aufsuchen, tauschen wir viele Erlebnisse aus und erzählen von unseren jeweiligen Vorhaben. Teta hat eine Tüte mit Keksen, Sonnenschutz, Snacks, Insektenschutz, kleine Cognac-Fläschchen etc. mitgebracht. Im Juni wollen sie ja wieder Conakry verlassen Richtung Washington. Nach Verabschiedung gibt’s Pizza mare, Bier aus Dose auf der Terrasse unmittelbar am Meereswasser. 1.00 h ins Bett, Zimmer geteilt mit James, was zur Dauereinrichtung wird. Gepäck ist alles angekommen, bei mir ist Waschpulver ausgelaufen (besser als Rotwein), kann ich gleich am bekleckerten Pullover ausprobieren. Es ist so warm, dass er bis zum Morgen auf dem Balkon trocknen könnte. Ganz gelingt das wegen der Schwüle nicht. Wecker wird auf 6 h gestellt, Klimaanlage kühlt ganz angenehm. Das ist die erste Nacht wiedermal unter einem Moskitonetz (nach Madagaskar 1991).
Tagebuch-Protokoll 27.01.2017 – 18.02.2017 (2)
28.1. Samstag. Im klimatisierten, aber ungemütlichen Frühstücksraum des Hotels Mariador Palace geht zweimal das Licht aus (um 6.00 h ist es noch dunkel in Conakry). Aber der Strom geht auch bald wieder an; außerdem gibt es Kerzen. Ansonsten: Baguette, Butter und gekühlte Getränke! Geli ist Geld weggekommen. Wir sollen Klopapier mitnehmen. „Hat man immer zu wenig“. Abfahrt mit Bus um 7.45 h. Unser Gepäck nimmt im Bus die beiden hinteren Sitzreihen ein, dadurch ist Sitzen etwas beengt. Aber es gibt noch genügend Freiraum für die 13 Leute (2 Fahrer). Wir fahren gefühlt stundenlang durch Conakry, ein Moloch mit abertausenden von Straßenhändlern, unzähligen Menschen am Straßenrand, vollgepackte Autos, PKW und LKW, Mopeds und Motorräder. Dann geht es ins gebirgige Hinterland. Ab 11.00 h habe ich kein Vertrauen mehr in unser Vehikel, unseren Bus. Die ersten drei Gänge sind überfordert vom ständigen Gangwechsel beim Slalomfahren um die teils sehr tiefen Schlaglöcher. Dazu abenteuerliche Überholmanöver. Es ist Schluss in Kindia um 12.30 h. Fast 5 Stunden für 120 km! Wir gehen während der Reparaturzeit zu einer Verwandten (verwitwete Schwägerin) von Alimou Barry, die in einem schönen Haus wohnt. Wir sitzen im Wohnzimmer, die Glotze läuft, dürfen auf die Toilette und warten…… 14.30 h: Der Bus ist repariert (heißt es). Noch etwas Verpflegung (Obst und Gemüse) wird eingepackt und weiter geht es: 15.00 h. Nach ca. 20 km versagt der Bus auf der Straße Richtung Mamou erneut. Die Kupplung/Getriebe hat wieder (noch!) einen Schlag und zusätzlich ist die Batterie defekt. Genau vor einer Bergkuppe, hinter der eine leichte Rechts-Kurve ist, und fast mitten auf der zweispurigen Straße (hier ist sie tatsächlich mal asphaltiert). Unsere Selfmade-Filous reparieren und es kann genau noch eine halbe Stunde weitergehen, dann ist die Kupplung wieder hin. Es ist 16.30 h. Jetzt folgt eine ernsthafte Diskussion. Wie geht es weiter? Zur Reparatur weiter nach Mamou, noch 90-100 km oder zurück nach Kindia (ca. 30 km) und dort übernachten. Die zweite Version ist die realistischere. Andernfalls käme man evtl. gar nicht in Mamou an und wir würden in dem defektem Bus auf der Straße übernachten. Mit Hilfe der Tante von Bailo (o.g. Schwägerin von Alimou) und dem Handy wird ein Hotel gesucht, etwas außerhalb von Kindia. Resort Cisse. Es gibt sogar eine Disko, zum Glück, denn nur dort erhielten wir noch GinTonic und Bier. Wir haben also einen Tag verloren. Der Grund: ein völlig überfordertes Gefährt, welches der Vermieter wohl lieber hergeben wollte als einen neueren Bus, an dem dann diese Straßen (euphemistische Bezeichnung) ihre Spuren hinterlassen hätten. Am nächsten Tag soll es um 8.00 h zum Frühstück gehen, dann soll der Bus bereits eine neue Batterie haben. Mal sehen!
29.1. Sonntag. Die Planung (8h mit Bus zum Frühstück nach Batteriewechsel und währenddessen Kupplung reparieren) funktioniert natürlich nicht. Die beiden Fahrer besorgen um 8.00 h erst einmal einen Mechaniker, der von derselben Ethnie (aus Waldguinea) ist. Die Ethnienzugehörigkeit spielt eine große Rolle bei Menschen, die nicht zur Schule gegangen sind und kein Französisch sprechen. Nur diese verstehen sie wirklich und werden auch verstanden von diesen. Nach 9 h tut sich was am Bus: neue Batterie kommt, der Kfz-Mechaniker auch, der vor Ort auf dem Hotelvorplatz die Kupplung repariert. Dann wird aber noch – zum Glück – entdeckt, dass einer der vier Hinterreifen platt ist. Also muss dieser auch noch ausgewechselt und repariert werden. So frühstücken wir auf dem Hof. Eigene Sachen werden ausgepackt: Weihnachtsplätzchen von Traberts, Wurst- und Käsescheiben, Vollkornbrot, die Snacks von Teta, Bananen und Gurken vom Markt. Andreas besorgt noch frischgebackenes Gebäck an der Straße und Wasser. Es wird nach Deutschland telefoniert wegen evtl. neuen Autos. Aber der Bus ist um 11.45 h repariert. Das Gepäck wird wieder verstaut. Mittlerweile haben wir wieder die Mittagshitze. Die Batterie scheint perfekt: Auto springt sofort mühelos an! Auch die Kupplung scheint zu funktionieren! Zuversicht bei fast allen! Von Kindia nach Mamou sind es 135 km. Wir kommen ins Land der Fula (Fulbe) oder – wie die Menschen hier sagen: „Boe“ (Peul, Peuhl). Hier ist die Heimat von Bailo und Alimou. Weitere größere Ethnien in Guinea sind die Soussou an der Küste und die Malinke im Nordosten Richtung Mali. Die Kissi sind in Waldguinea. Die Baga sind ein kleineres Volk, welches von den Soussou aus Sierra Leone in den Norden an der Küste verdrängt wurden und heute nördlich von Conakry ansässig sind. Vor ihnen stammt die bekannte Fruchtbarkeitsstatue oder Schultermaske Nimba.
Mamou ist wieder eine etwas größere Stadt. Hier biegt die N1 in den Süden Guineas ab und führt noch 600 km nach Nzérékoré an der liberischen Grenze. Wir fahren weiter nach Osten die N29 Richtung Dabola, wo dann die N30 zur Malischen Grenze führt, ab Mamou noch 530 km. Unser nächster Halt nach Kindia ist Linsan (?), genannt die Geierstadt (warum?), wo wir anhalten, da die Fahrer etwas essen wollen. Das tun wir dann auch. Andreas steigt aus und besorgt kalte Kola und Fleischspieße im Baguette. Unser Bus ist umzingelt von Neugierigen. Der Haupt-Verkehr ist eigentlich wie blockiert. Wie überall ist die Hauptstraße ein einziger Marktplatz. Wir stellen uns an die Seite; es bleibt kaum noch Platz für vorbeifahrende Autos. Aber selbst die dickbepacktesten LKW’s finden eine Gasse zwischen den Ständen, den Menschen, parkenden Autos und einigen sich auch noch irgendwie mit dem Gegenverkehr. Und das alles ist die Route Priorité, die Nationalstraße Nr. 1! Später halten wir noch am Straßenrand zum Beine vertreten und kaufen geschnitzte Holzlöffel von Kindern: 500 GFR für ein Paar (50 Cent)! Dann kommt die kleine Stadt Timbo. Halt zum Tanken. Der Fahrer hat ein Problem. Sein Chef teilt ihm telefonisch mit, kein zusätzliches Geld für Benzin zu geben. Es hätte schließlich gereicht. Was wahrscheinlich stimmt, wenn wir nicht nach Kindia nochmal hin- und hergefahren wären. Die lange und lautstarke Auseinandersetzung beendete Bailo mit der Zusage, die 21.000 GFr vorzustrecken. So verlieren wir wieder eine halbe Stunde und haben keine Chance mehr, im Hellen in Koolo Hinde anzukommen. Unsere Nationalstraße Nr.1 (oder 29?) wird immer schlechter, die Schlaglöcher größer und Asphaltdefekte ausgedehnter. Als wir nach 240 km nach Kindia Richtung Koolo Hinde abbiegen, ist die Straße eigentlich nur noch ein breiter Feldweg, allerdings mit solchen Rillen, Löchern und Furchen, dass wir alle ordentlich durchgeschüttelt werden. Andreas scheint hier – nach seinen kenntnisreichen Erläuterungen – schon richtig zu Hause zu sein. Als wir zwischen 19 und 20 h in Koolo Hinde ankommen, bilden sich schnell Menschentrauben, welche zur Begrüßung rufen und MANGO skandieren. In unserer Unterkunft ist ein langer Tisch gedeckt. Das Abendessen steht bereit. Wir waren ja schon am Vortag erwartet. Händeschütteln mit Ortsvorsteher, nein es ist – glaube ich – ein Verwandter von Alimou (Bruder?), der Deutsch spricht und bei Siemens in München drei Jahre gearbeitet hat. Anschließend gibt es Instruktionen über die Örtlichkeiten und den Ablauf.
Tagebuch-Protokoll 27.01.2017 – 18.02.2017 (3)
30.1. Montag. Zimmer mit James. Schlafen unter Moskitonetz, nach GinTonic-Ausklang auf der Terrasse. Ruhige Nacht und Aufwachen mit dem ersten Hahnenschrei so gegen 6 h. Um 6.30 h höre ich den Bus wegfahren, zurück nach Conakry. Es wird langsam hell, eine Person scheint schon im Bad zu sein. Ich bereite mich geistig auf eine Morgentoilette ohne fließendes Wasser vor. Aufstehen. James rührt sich noch nicht. Schnell ins Bad, bevor Gedränge entsteht. Neue Erfahrung mit offener Dusche und großen Wassertonnen, aus denen man das benötigte Wasser mit Eimern oder Schüsseln nimmt. Es steht auch ein Eimer heißes Wasser da. Brauche ich aber nicht. Frühstück. Der erste Arbeitstag! Das Frühstück mit Nutella, Wurst, Käse, Weißbrot, Schwarzbrot, Kaffee, Tee, Cohay-Wasser-Flaschen. Weißbrot wird morgens um 4 h von Ditti (dazu später) auf dem Moto in Dogomet (s.u.) geholt. Die anderen festen Speisen sind mitgebracht. Nein, noch ein Weich-/Schmierkäse ist von hier (früher gab es für diese Sorte immer „La-vache-qui-rit“). Wir gehen in die große Lagerhalle, die noch auf dem Gelände der Wohnhäuser steht und wo über das Jahr hin alles untergebracht ist, was für den OP-Betrieb gebraucht wird. Dann gehen wir zur „Station“, zu dem OP-Zentrum, besichtigen die beiden OP-Räume, begrüßen die einheimischen Helfer, sehen den Gyn-Untersuchungsraum, den Umkleideraum, den Sterilisations- und Aufbereitungsraum. Dann geht es zur ersten Visite ins Patientenhaus, wo die übriggebliebenen Patienten des Team 1 liegen. Sekundärheilungen nach Leisten-OP, nach Struma-OP, nach OP einer kindlichen Halszyste. Letztere wird gleich für den nächsten Tag zur Revision im OP vorgesehen. Dann liegen noch gynäkologische Patientinnen mit Blasenkatheter bei Fistel-OP, eine nichtoperierte Blasenfistel nach Sectio vor 5 Wochen mit kleinem Baby, eine Leistenhernien-OP zur Sekundärnaht. Vorbereitung zur ersten OP: Der Halsabszess nach Struma-OP und bereits erfolgter Sekundärnaht muss noch heute gemacht werden, da der ältere Patient Fieber hat. Er ist außerdem sehr heiser. Nach den etwas spärlichen Dokumentationsunterlagen war es wohl ein monströser Strumabefund. Narkose macht Eva, Instrumentation Tina: Wiedereröffnung, Spülung, Betaisodona-Mull-Einlage. Meine „Lupine“ hat funktioniert! Ich hatte morgens meine tgl. Tabletteneinnahme vergessen und gehe jetzt zurück zum Wohnhaus. Anschließend Eintauchen in die Sprechstunde, in der die zu operierenden Patienten voruntersucht werden. Der Flur in dem „Poste de Santé“, dem Nachbargebäude, ist von Menschen verstopft, Patienten die zur OP drängen und keiner erkennbaren Ordnung unterworfen sind. Als wir kommen, öffnet sich trotzdem eine Schleuse, wodurch wir freien Zugang zum „Sprechzimmer“ erhalten. Drinnen warten schon die beiden öffentlich bestellten Pfleger. Mindestens der eine wird Doktor Camano geheißen. Mit Eva (Anästhesistin), Tina (Schwester), Bailo als Dolmetscher und Strippenzieher, James und ich selbst sind wir mit Patienten in dem kleinen Raum manchmal 10 Leute. Das Kuriositätenkabinett ist eröffnet: Patienten mit absonderlichen Tumoren, auch bei Kindern, große Skrotalhernien, Rektumprolaps bei 8-jährigem und 35-jähriger, Gingivawucherungen. Ein kleiner Junge mit Splenomegalie, Kinder mit LKG-Spalten. Die Patienten (Erwachsene) müssen für den Sprechstundentermin 5000 GFR dem Pfleger geben. Auch eine Operation kostet wohl Geld, 50.000 GFR, das ist mit dem öffentlichen Gesundheitswesen anscheinend so vereinbart. Das Geld wird am Ende des Einsatzes den hier arbeitenden Einheimischen als „Lohn“ ausgezahlt. Die heutige Sprechstunde läuft bis 17.15 h. Es wurden einige Patienten für das bevorstehende OP-Programm rekrutiert. Mittags gab es schon im OP-Trakt warmes Essen. Abendessen findet gegen 20.00 h wieder in unserer Unterkunft statt. Der Abend klingt aus auf der schönen Terrasse, anfangs noch mit Kinderbegleitung.
31.1. Dienstag. Meine Nachtruhe ist ab 5.00 h gestört. 6.45 h Aufstehen und wieder als zweiter im Bad. Noch keine Routine im Standwasserwaschen und -duschen. Das Frühstück findet wieder gemeinsam am großen Tisch statt. Andreas und Karl, sowie Conny und Anne-Marie schlafen im benachbarten Rundbau, wo es nur zwei Schlafräume gibt und ein etwas großzügigeres Bad. Der heutige Arbeitstag ist sehr ausgefüllt: OP-Saal 1: 2 Kinder (ipse) und eine Mammutstruma (James mit meiner Assistenz, 3h), Saal 2: 2 Erwachsenen-Leistenhernien. Ab 17 h Sprechstunde: Wieder kaum Durchkommen zum Sprechstundenraum im „Poste“, zum „Chambre de Consultation“. Nur durch das Schieben von Gelis Rollstuhl gelingt das Durchlassen. Mund-Kiefer-Spalte, Kind mit Malnutrition, Junge mit Kniegelenkerguß, Hernie, Hernie, Hernie, Struma…plötzlich liegt eine „halbe Leiche“ im Raum. Auf dem Boden, Türschwelle. Was ist los? Krampft er? Spastik? Kollaps? Schmerzen? Im Flur vor der Türe würde ich bei dem Mief, bei der Hitze und den drängenden Leuten auch kollabieren. Wir zerren ihn auf die Untersuchungsliege. Die körperliche Untersuchung der Vitalfunktionen, sowie Bauch und Kreislauf ist unauffällig. Irgendwie muss man ja auch mal drankommen zur Untersuchung!? Bailo schlägt vor, noch 5 Kinder zu untersuchen und dann die Sprechstunde zu beenden. Anschließend muss ich mich das zweite Mal umziehen, so stehe ich im Wasser. Es geht zum Abendessen. Die erste frische Wäsche ist gewaschen zurück. Die fleißigen Damen hatten sogar unaufgefordert mein Nachtzeug mitgenommen, obwohl es nicht im Waschkorb lag. Die Schuhe von Andreas und Karl wurden auch diverse Male unaufgefordert gewaschen, Turnschuhe. Karl sagte irgendwann, dass seine Schuhe geschrumpft seien. Deswegen versteckte er sie im Weiteren. Wir gehen zur Abendvisite: Allen geht es gut, einige „Alte“, Übernommene, sollen am nächsten Tag Verbandswechsel erhalten. Aber wer wird mal unsere Komplikationen versorgen? Nachher Terrassen-Sitzen bis 0.30 h. Heute habe ich mit anderen sog. Neuen Erfahrungen ausgetauscht. Einige „MANGO-Neue“ hatten schon Afrika-Erfahrungen bei anderen Einsätzen. James war 4 Jahre jeweils 6 Wochen (Chapeau!) mit German Doctors in Sierra Leone. Tina war bereits häufiger mit Mercy Ships auf deren Hospitalschiff. Julia und Karl hatten noch keine derlei Erfahrung. Dann gab es noch Geschichten von Andreas und Karl vom Klinikum Immenstadt und dem dortigen Klinikverbund. Nachtruhe von 0.30 – 7.30 h, wobei ich ab 5 h wieder halbwach da lag.
1.2. Mittwoch. Heute späte Toilette. Frühstück: Jeder hat so viel mitgebracht! Aber auch der einheimische Honig schmeckt, ist allerdings flüssig. Da es keine Butter gibt, muss der Schmierkäse herhalten, was bei Süßem gewöhnungsbedürftig ist. Mein OP-Tag: Kind mit Skrotalhernie, große Struma bei Mann (Assistenz Julia – sehr gut), vorher allerdings stressauslösend. Lipom, Skrotalhernie Erwachsener. Dann muss die Struma vom Vortag wegen Verdacht auf Nachblutung revidiert werden. Das bestätigt sich zum Glück nicht. Patientin hat aber Stridor und muss die nächsten Tage mit Cortison und Inhalation behandelt werden. Zum Mittagessen gibt es zwei Reissorten, Hühnereintopf, Rind in Erdnusssoße. Die Köchinnen, die die Sachen bringen, freuen sich über die Fotos, die ich von ihnen mache. Dann Sprechstunde: Fortsetzung des Gruselkabinettes. Allein die 10 eigenen Leute in dem kleinen Raum machen die Atmosphäre ungemütlich. Hier möchte ich auch kein Patient sein. Unvorstellbar bei uns: Intimsphäre, Datenschutz, Hygiene. Bailo hat die Auswahl organisiert und für heute besonders Hämorrhoiden-Patienten ausgesucht. Er hat uns die OP-Methode freigestellt, aber darauf hingewiesen, dass noch 7 Stapler-Geräte übrig sind. „Diese waren sehr teuer!“ Von 5-6 Patienten hatten 2 wirkliche Hämorrhoiden. Ansonsten Fistel, Mariske, Fissur. Aber der OP-Andrang ist riesig, die Menschentrauben vor dem Sprechzimmer, vor den Eingängen zum „Poste“ und auf dem gesamten Gelände werden nicht weniger. Jeder hebt sein Hemd, seinen Arm, senkt die Hose: Überall hängt etwas, steht etwas vor, besteht eine Deformität. Nach Abschluss des heutigen Arbeitstages soll noch ein Gemeinschaftsfoto gemacht werden, weil Amadou Barry (in Frankfurt) Geburtstag hat. Dabei stehen vor uns auf der Treppe am Hintereingang, wo das Foto traditionell gemacht wird, Massen von Leuten, die auch fotografieren. Ich mache auch ein paar Fotos in die Gegenrichtung. Mal ein paar Bemerkungen zu den Technischem, z.B. die Lichtverhältnisse bei OP: Es gibt noch drei unterschiedlich gute Stehleuchten, mit denen man – richtig eingesetzt – Stirnlampenlicht auch sparen kann. Meine Stirnlampe (Lupine) muss ich zwischen den OP’s immer aufladen. Zur elektrischen Koagulation gibt es Einmal-Monopolar und Bipolar. Welch Luxus! Und elektrische Schere. Da die Redonflaschen am Vortag schnell ohne Vakuum waren, werden heute neue aus dem Lager geholt. Wahrscheinlich waren die Ansatzgummis porös. Die Sachen lagern übers Jahr doch bei teilweise weit über 30°. Karl, unser Gynäkologe aus Sonthofen, war bisher operativ noch nicht sehr gefordert. Deswegen macht er auch Verbandsprechstunde für uns neben seiner gynäkologischen Sprechstunde. Und schneidet Unterlagen für die Untersuchungsliege und seinen Gyn-Stuhl!
TAGEBUCH-PROTOKOLL 27.01.2017 – 18.02.2017 (4)
2.2. Donnerstag. Aufstehen um 6.30 h. Bad bis 7 h erledigt, immer noch alleine. Wunderschöner Sonnenaufgang. Ich schreibe eine Whatsapp an Clara (von ihr habe ich das Buch, das Tagebuch) und Vater und mache etliche Fotos vom Umfeld. Am Vorabend waren wir noch nach unserem obligatorischen Terrassenbeisammensein zu einem Notfall gerufen worden. Unsere beidseitige monströse Struma vom Dienstag hatte Luftnot und Schluckstörungen. Da wir am Mittwoch eine Nachblutung ausgeschlossen hatten, wurde wieder eine medikamentöse Behandlung im OP-Trakt (Suprarenin-Inhalation und Cortison) durchgeführt. Dafür muss immer erst der Generator angeworfen werden. Nach 40 min. ergab die Behandlung Evas eine deutliche Besserung. Die Unterscheidung in psycho- und somatische Ursachen fällt in dieser Umgebung noch schwer. Der neue Tag beginnt dann richtig wieder mit Frühstück und gemeinsamen Marsch zum OP-Zentrum. Nachdem am Vortag erstmals proktologische Patienten selektiert wurden, stehen heute auch drei von ihnen auf dem OP-Programm. Zunächst operiere ich jedoch zwei Kinder (nein, eines hat „abgesagt“, wurde abgesetzt) und anschließend assistiere ich Karl die Laparotomie der vesico-cutanen Fistel nach Sectio vor 5 Wochen. Es bestehen immense Verwachsungen, Karl hat Geschick mit der Problematik umzugehen. Blase und Uterus sind weit nach cranial gezogen und fixiert. Das Licht bei der OP ist ein Problem. Einerseits will ich mit der Stirnlampe sparsam umgehen, andererseits reichen die vorhandenen Stehleuchten auch mit der selbstgebastelten Leuchte von Julia nicht aus. Die Standleuchten im Saal 2 sind besser, wie sich bei den proktologischen OP’s herausstellt. Zwischendurch erfolgt eine Ablösung in der Gyn-Sprechstunde, die sich mittlerweile zu einer Verbandssprechstunde entwickelt hat. Verbände, Spülungen der Sekundärheilungen (immer noch nur vom 1. Team). Unsere eigenen werden auch noch kommen! Karl hat noch wenig zu operieren. Dafür erzählt er umso mehr aus seiner Vergangenheit. Er kommt aus Fulda, hat in Wiesbaden einen Bruder, war in Ravensburg an der Klinik und hat seine Praxis in Sonthofen an einen Kollegen verkauft, der etwas andere Vorstellungen hat. Das Recht der Nachfolger! Den Kollegen Maurus aus Immenstadt kennen natürlich auch alle, den ich als Proktologen schon zweimal an Freunde weiterempfohlen habe. Auch er versteht es wohl, mit den ökonomischen Zwängen einer Einzelpraxis umzugehen. Die beiden Schwestern aus der Klinik in Immenstadt (Anne-Marie von der Anästhesie und Conny vom OP) sind beide ausgesprochen nett, zurückhaltend und fürsorglich. Beide auch sehr sportlich. Conny ist früher viel geschwommen, Anne-Marie läuft, klettert, radelt, wandert. Ihre Fragen, wie es mir geht, schaffen es, mich aus der Erzählreserve zu locken. So ist mittlerweile meine ganze (?) große und kleine Familiengeschichte bekannt, heute abend noch ergänzt durch meine Praxis- und Klinikgeschichte. Mittagessen gab es wieder im „Sozialraum“ des OP-Hauses. In dem Raum befinden sich ein Schreibtisch, ein Esstisch mit 5-6 Hockern, ein Schrank (wo u.a. das Geld gehortet wird, denn dafür braucht man in Guinea viel Platz), ein Regal mit Handwerkszeug und Kisten, eine verschlossene Tür nach draußen und eine Tür zum Klo- und Waschraum, in dem eine defekte Waschmaschine steht und der auch als kleiner Lagerraum genutzt wird. Er hat aber auch wie der gesamte Trakt fließend Wasser. Auf dem Tisch wird das Essen mittags serviert, morgens gibt es bereits Kaffee und Tee. Und immer zwei Schälchen Arachides, Erdnüsse. Nicht immer ist in der entsprechend markierten Kanne auch das richtige Getränk. Manche Küchendamen können nicht lesen. Nach 2-3 mal Pannen und Erklärungen durch Bailo scheint es jetzt zu klappen.
Der Abend bestand wieder (heute etwas früher beginnend) aus dem Terrassenausklang nach der Arbeit (dazu die obligatorische Kinderhorde vor der Terrasse, heute teilweise gemeinsam singend), aus dem Abendessen (Tomatensalat, Spagetti bolognaise, Ingwersaft, frischer Kasten warmes Bier). Das Bier wird immer auf Bestellung spätnachmittags von einem Jungen auf einem Motorrad gebracht, der es durch die Hitze und über staubige Holperwege zur Unterkunft transportiert. Nachher noch die „Spät“-Visite. Die Visite verläuft leider immer etwas chaotisch. James und mir gefällt schon mal auch die späte Uhrzeit nicht. Man könnte sie auch vor dem „Hoch“-Gehen erledigen. Bailo erzählt dann den Patienten meist vieles, was auch nicht ganz nachvollziehbar mit der Visite zu tun hat. Aber ich habe eigentlich auch Verständnis dafür, schließlich ist Bailo kein Mediziner (sondern Informatiker bei der KfW) und organisiert hier den ganzen Tag ein Geschäft, wo es nur um Patienten (seine einheimischen Stammesgenossen und andere) geht, welche operiert werden sollen, die also selbiges von ihm erklärt bekommen und nach der OP wiederum, was sie zu machen und zu lassen haben. Das geht von allgemeinen Weisheiten, viel Wasser zu trinken, bis dahin, wann die Mutter ihr Kind wieder stillen darf nach der OP. Und ständig wird er bedrängt von umlagernden Patienten, sie doch endlich dran zunehmen. Dann gibt es aber noch eine Liste von Patienten, die beim Team 1 nicht mehr dran kamen, Patienten, die es schon 1, 2 und vielleicht 3 Jahre versuchen, bis zur OP vorzustoßen, weiter eine Liste von 10-15 Patienten, die eine befreundete Organisation in Dinguiraye, eine ähnliche Hilfstruppe wie Mango, auf Nachfrage überwiesen hat, nachdem ihr Einsatz beendet war. Zu alledem stehen noch etliche Menschen vor den Häusern, die bittend ihre Riesenstruma zeigen, ihre Röcke zur Begutachtung ihrer Hernie heben, die Achsel mit dem großen Fettgeschwulst freimachen. Ein junger Mann hat auf der Stirn ein solch ausgedehntes Lipom, dass seine Augen teilweise verdeckt sind und.. und.. und… Heute wieder Terrassenausklang bis 0.30 h. Gespräche mit Tina (aus Dresden) und Andreas (aus Halle, Frankfurt/Mainz und Immenstadt), die einzigen, die solange aushalten, über Wagenknecht und AfD, Nordsee-/Ostsee-Urlaube, Elbradweg etc. Immer wieder Neues auch aus der Geschichte von MANGO, Andreas ist schließlich schon 20 Jahre dabei. Alimou Barry fährt nicht mehr mit, ist 67 Jahre und körperlich eingeschränkt. Wenn er kommt, wollen alle hier lebenden Verwandten etwas von ihm haben (Geld und mehr). Ein anderes Thema ist die Nachhaltigkeit des Projektes, die noch nicht geklärt ist. Überlegungen werden angestellt, evtl. mal 3 Teams zu schicken. Oder 4 halbe Teams. Eigene guineische Leuten heranzuziehen ist wohl sehr schwierig. In der (alten?) Satzung von dem MANGO-Verein steht wohl, dass „in 10 Jahren das Projekt von einheimischen Leuten übernommen werden soll“. Das wurde aber bereits vor 20 Jahren formuliert.
3.2. Freitag. Es ist der 4. volle Operationstag. Nach Frühstück und Lagerschau Beginn mit Visite. Unsere komplizierte Strumapatientin ist bei der Visite nicht anwesend, eher ein gutes Zeichen. Ich operiere zwei Kinder mit Skrotalhernien. Bei dem einen Jungen gibt es Identitätsprobleme. Es sollte der vom Vortag sein, der nicht operiert werden konnte, da die Anästhesie keinen Zugang bekam. Jetzt kommt ohne unser Wissen ein Junge, der angeblich genauso heißt, was zunächst unbemerkt bleibt (ich stelle nur fest, dass auf der Karteikarte „Skrotalhernie bds.“ steht). Dieser Junge hatte aber nur einseitig eine Hernie. Dann kam noch eine Erwachsenen-Hernie in Spinale im anderen Saal hinzu und zwei proktologische Operationen. Hier mal ein Beispiel für die Namen unserer/meiner Patienten: Sita Diallo, Jugendlicher, Leistenhernie, Shouldice; Mamadou Barry, Kind, Skrotalhernie (Name häufiger); Abdulramane Diallo, Hämorrhoiden; Ibrahima Sow, Kind, Skrotalhernie; Boubacar Biro Diallo, Hämorrhoide. Bei der Abendvisite stellte sich dann heraus, dass der operierte Junge doch nicht Mamadou Barry heißt, sondern Alphadou Barry. Abendessen wie gehabt und Terrasse. Ausklang nach Mitternacht mit Tina (Familiengeschichte). In der Sprechstunde wurden heute nur Strumapatienten ausgesucht, vorselektiert von Bailo. Sie saßen aufgereiht auf einer Bank im Vorraum, insgesamt 11 Frauen und Männer (eigentlich nur ein Mann). Nur drei von ihnen sollten noch für das Programm der nächsten Woche herausgesucht werden. Jeden Tag soll nur ein Strumapatient und zwei Kinder operiert werden. Das waren die Vorgaben, wahrscheinlich von der Anästhesie. Das übrige Programm kann dann mit Hernien und Hämorrhoiden oder Tumoren aufgefüllt werden. Eigentlich sollte auch jeden Tag eine gynäkologische OP stattfinden, hat aber mit der Auswahl bisher nicht so geklappt.
(Fortsetzung folgt)