Besuch bei Karl Heinz Wagner
Der Besuch einer Galerie ist immer etwas besonderes. Eigentlich ist es nicht wirklich einer meiner Vorlieben. Zumindest, wenn es sich um mir unbekannte Galerien handelt. Bei Karl Heinz Wagner ist das etwas anderes – und somit nicht nur etwas besonderes. Die Galerie liegt im alten Teil der Kreisstadt Dietzenbach, in der Schäfergasse. Ein altes Fachwerkhaus, seit 1964 von der Familie schön hergerichtet (die Familie scheint ein Künstler-Gen zu haben), wurde somit ein Wohn- und Schaffenshaus, in dem viel Altes erhalten wurde, um es aber mit neuem Sinn zu füllen. So befindet sich die Galerie selbst in einem alten Gewölberaum, der früher Kuhstall war. Und auf dem Mäuerchen an der Frontwand, wo die Kühe ihren Fraß erhielten, stehen jetzt Bilder. Bilder hängen aber auch an den anderen weiß-getünchten Wänden und unsäglich viele stehen hintereinander auf dem Boden. Ein wahrer Schatz von Werken unterschiedlicher Mal- und Drucktechnik, der verschiedensten Motive, Reiserinnerungen, Abstraktes, Experimentelles. Alles Dokumente eines bis heute wachen und neugierigen Künstlergeistes, der vieles zu erzählen hat. Jedes der zahlreichen Bilder ist ihm present, er weiß, welches Motiv, welcher Ort oder auch welche Geschichte dahinter liegt. In einer Ecke des Raumes steht auch eine Staffelei. In der Galerie befindet sich also jetzt auch das Atelier. Vielleicht ist es richtiger zu sagen: Rest-Atelier. Denn seine Räumlichkeiten in den beiden oberen Stockwerken, wo sich sein eigentliches Atelier befand, sind für ihn nur noch sehr beschwerlich zu erreichen. Somit liegt sein Lebens- und Künstlermittelpunkt jetzt im Erdgeschoss. Dieses Jahr noch beendete er hier sein Werk „Sturm über der Stadt“, welches im November in der Jahresausstellung des „Künstlerkreises Dietzenbach“ im Rathaus Dietzenbach ausgestellt wurde. Karl Heinz Wagner feierte in diesem Jahr, 2015, seinen 90. Geburtstag. Er ist das einziges noch lebende Gründungsmitglied dieses Künstlerkreises.
Es ist bewundernswert und ein besonderes Erlebnis, wie ein 90-jähriger Vollblutkünstler in seiner zweiten Heimat lebt, aufgeht und ein lebendiger Teil dieser – auch unserer, auch meiner zweiten – Heimat ist und wirkt. Es ist erstaunlich, wie ein von sudetendeutscher Bescheidenheit und Zurückhaltung geprägter Mann im Altstadt-Kern von Dietzenbach seine Künstlerwürde, sein Lebenswerk in sein 10. Lebensjahrzehnt weiterentwickelt hat und seinen Mitmenschen vermittelt. Ein wichtiges Medium ist ihm, dem 90-Jährigen, mittlerweile der Computer, die elektronische Achivierung und seine Website. Und über alle Zeit hinweg ist er eng verbunden mit seiner „ersten“ Heimat, Komotau (heute Chomutov), eine alte von Franken besiedelte Stadt am südlichen Rande des Erzgebirges, in Tschechien, aus der er mit 20 Jahren vertrieben wurde.
Über sein bewegtes Leben und seine vielfältigen Mal- und Ausdrucks-Techniken kann man sich ausführlich auf seiner Hompage informieren (http://www.galerie-wagner.de).