GUINEA – QUO VADIS? (II.)
Auf www.ledjely.com wurde am 03.Oktober 2021 ein Beitrag zur Geschichte Guineas veröffentlicht, zu dessen Verbreitung ich mit Genehmigung des Autors im Folgenden in deutscher Übersetzung beitragen möchte. Wie viele afrikanische Staaten hat auch Guinea seit seiner Unabhängigkeit im Jahre 1958 eine wechselvolle Geschichte erlebt. Die ersten verheißungsvollen Schritte hin zu einer radikalen Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Frankreich unter ihrem damaligen Befreiungshelden und Panafrikanisten Sékou Touré mündeten bald in einem diktatorischen Regime mit Elend und Korruption. Und nun, nach der ersten demokratischen Wahl 2010 in Guinea, in der Professor Alpha Condé zum Präsidenten gewählt wurde, endet dessen 11-jährige Amtszeit in einem vorhersehbaren Militärputsch. Nachdem er letztes Jahr politische Unruhen provozierte, in dem er eine Verfassungsänderung zur Verlängerung seiner Amtszeit erzwang, brodelte es in der Zivilgesellschaft und Anfang September diesen Jahres kam der Topf zum Überkochen.
Oumar Kateb Yacine vermittelt mit seinem Artikel ein passendes Stimmungsbild, in dem die freiheitsliebenden Menschen Guineas sich derzeit bewegen.
Tribune/Françafrique: Wie Frankreich Sékou Touré radikalisiert hat (von Oumar Kateb Yacine)
Anlässlich des 63. Jahrestages der Republik Guinea interessieren wir uns für einen Teil unserer Geschichte, der die Entstehung der jungen Nation markiert, die ihre Chance ergreifen und sich rechtzeitig vom kolonialen Joch befreien konnte. Dank des Mutes und der Weitsicht von Ahmed Sékou Touré und seinen Mitstreitern aller Couleur wurde Guinea am 2. Oktober 1958 frei, nachdem das von General de Gaulles, der an die Macht zurückkehrte, vorgeschlagene Gemeinschaftsprojekt abgelehnt worden war. Wie hat die Metropole auf dieses „Nein“ reagiert, das schwerwiegende Folgen für die französisch-guineischen Beziehungen hatte? Wie konnte Sékou Touré, ein reines Produkt von Françafrique, zur Zielscheibe eines Attentats werden? Wie konnte er zum Diktator werden und sein Land ein Vierteljahrhundert lang in einem Strudel der „permanenten Verschwörung“ halten? Frankreich trägt einen Teil der Verantwortung. Das wollen wir in diesen Zeilen zeigen, in der Hoffnung, dass die Zeit für die Historiker gekommen ist, die Wahrheit wiederherzustellen
Der Ursprung eines langen Streits zwischen Paris und Conakry
Alles begann, als General de Gaulles am 25. August 1958 in Conakry einen Zwischenstopp einlegte, um die afrikanische Bevölkerung für sein Projekt einer Gemeinschaft zwischen Frankreich und seinen Kolonien zu sensibilisieren, d.h. für das Projekt einer „Föderation autonomer Länder“, die durch eine neue Verfassung der Fünften Republik geregelt werden sollte. Er beabsichtigte, sein Projekt am 28. September 1958 dem Volk in einer Volksabstimmung vorzulegen. Wenn der Mann vom 22. Juni 1940 überall ein „Ja“ zu seinem Gemeinschaftsprojekt erhielt, so war dies in Guinea nicht der Fall, wo Sékou Touré, der Regierungschef von Guinea, bereits in einigen Kreisen für eine „freie Union mit Frankreich“ eintrat. In seiner denkwürdigen Rede ebnete der Herr von Conakry den Weg für die Freiheit und die Würde der afrikanischen Völker, indem er verkündete: „Wir ziehen Freiheit in Armut dem Reichtum in Sklaverei vor“. Diese Rede wurde von den Kolonialherren, die von der Entwicklung der Ereignisse überwältigt waren, als „provokativ“ angesehen. Der emphatische und martialische Ton von Sékou Touré und der laute Beifall der Menge, die ihrem Anführer zugetan war, verletzten die Empfindlichkeiten von General de Gaulle. Der alte General empfand diese Aussage des jungen guineischen Führers – er war 36 Jahre alt – als Affront und Angriff auf sein Projekt und die Arbeit Frankreichs in Afrika. Er deutete an, dass Guinea die Unabhängigkeit erlangen könne, wenn es am 28. September mit „Nein“ stimme, und dass die Metropole dem nicht im Wege stehe, sondern die Konsequenzen ziehen werde. Bereits während seiner Reise durch den Kontinent hatte de Gaulle deutlich gemacht, dass ein „Nein“ einen totalen Bruch mit Frankreich bedeuten würde.
Damit verabschiedete sich Charles de Gaulle von Guinea, ohne Sékou Touré zu vergeben. In seinen 1975 bei Presses de la Cité erschienenen Memoiren gibt General Raoul Salan, Chef der algerischen Armee, der de Gaulle einige Tage nach dem Vorfall in Conakry in Algier empfing, ein beredtes Zeugnis ab: „Als er mir die Hand schüttelte, explodierte er plötzlich: Salan, was in Conakry geschehen ist, ist Wahnsinn… Ich konnte mir einen solchen Hass auf Frankreich und auf mich nicht vorstellen. Eine alte Frau, die neben meinem Auto stand, hob ihren Rock und spuckte auf das Fahrzeug. Wenn sie die Unabhängigkeit wollen, dann sollen sie sie sich nehmen, aber sie werden keinen Pfennig mehr haben“. Der Ton ist also vorgegeben. Auch wenn die junge Republik auf diplomatischer Ebene trotz der Hindernisse, die ihr die ehemalige Metropole in den Weg legte, am 12. Dezember 1958 als 82. Mitglied in die UNO aufgenommen wurde, war es nicht einfach, die erlangte Unabhängigkeit zu bewahren. Das Land wird in den 1960er Jahren mit den imperialistischen Kräften in Konflikt geraten!
Auch wenn offiziell nichts auf eine direkte Beteiligung des französischen Staates an den Versuchen, den guineischen Präsidenten zu stürzen, hindeutet, so ist doch davon auszugehen, dass Jacques Foccart, der Mann der Netze und der schmutzigen Tricks im Elysée, die Maschinerie des Komplotts zum Sturz von Sékou Touré in Gang setzen wird, um den Affront gegen Frankreich und seinen Général de Président reinzuwaschen und um die anderen Kolonien davon abzuhalten, es ihm gleichzutun, auch auf die Gefahr hin, dass das Kolonialreich sich spaltet. Natürlich, dies wird in den 1960-ern der Fall sein, auch wenn Frankreich seinen afrikanischen Hinterhof weiterhin gegen alle Widerstände schützt. Wie wir noch sehen werden, war Sékou Touré, der zur Ikone der unterdrückten Völker und zum Bannerträger der nationalen Befreiungsbewegungen geworden war, eine Gefahr für Jacques Foccart.
Von da an war Sékou Touré Freiwild. Frankreich wird es, zumindest über seine Geheimdienste und die Netzwerke von Jacques Foccart, nicht an Initiativen fehlen lassen ihn loszuwerden. Der von de Gaulle erlittene Affront und die Ablehnung der Gemeinschaft veranlassen Paris, gegen die junge fortschrittliche Republik vorzugehen. Ein Scheitern von Sékou Touré würde den anderen als Lehre dienen und jeden Wunsch nach Unabhängigkeit in ihnen töten. Zumal Conakry seine Tore für die Länder des Ostens öffnete. Dies war ein weiterer Vektor für die Verbreitung des Kommunismus in Afrika zu einer Zeit, als der Kalte Krieg in vollem Gange war und die Mächte sich positionierten.
Wirtschaftliche und monetäre Strafen
Die ersten Strafmaßnahmen waren finanzieller Art. Vor dem Referendum – manche würden sagen, die so genannte Kommandoaktion fand am 28. September statt – inszenierte der in Dakar ansässige Hochkommissar der AOF, Pierre Messmer, einen regelrechten Überfall, indem er französische Matrosen und Fallschirmjäger nach Conakry schickte, um die Milliarden von CFA-Francs in der Filiale der Zentralbank zu leeren. Sékou Touré reagierte auf den Schlag, indem er seinen Wunsch nach einem Verbleib in der CFA-Zone bekräftigte. In Wirklichkeit hat er Frankreich eingeschläfert, um Zeit zu gewinnen. Denn er plante bereits die Einführung des Franc guinéen. Dies erforderte die Gründung einer Emissionsbank, den Druck von Banknoten und deren Inverkehrbringen. Der Franc-Guinée wurde heimlich in England gedruckt und am 1. März 1960 eingeführt. Doch Frankreich war bereit, Vergeltung zu üben. Der damalige Geheimdienst SDECE* (Service de documentation extérieure et de contre-espionnage) war für die Herstellung gefälschter guineischer Banknoten zuständig. Sie produzierten große Mengen in den Räumlichkeiten der SDECE, 141, boulevard Mortier in Paris, die den Spitznamen „Piscine“ trugen. Diese Banknoten wurden massenhaft über interne Komplizen in Guinea eingeführt, wo die französischen Geheimdienste über solide Netzwerke verfügten. Infolgedessen wertete der guineische Franc rasch ab, was die Wirtschaft des Landes weiter schwächte. Nach dem Referendum wurden alle französischen Staatsbediensteten von Paris aufgefordert, das Land zu verlassen. Die Bananenpflanzer (Guinea war der zweitgrößte Exporteur der Welt nach den Westindischen Inseln; 100.000 Tonnen pro Jahr) gaben die Plantagen auf und machten den Boden für 40 Jahre unfruchtbar! … Diese Fälschungsoperation zeigt, dass Frankreich von zahlreichen Komplizen vor Ort profitiert und dass die Geheimdienste über ein regelrechtes Netz von Agenten verfügen, das vom Élysée über Jacques Foccart koordiniert und befohlen wird“, berichten Patrick Pesnot und Monsieur X in ihrem Buch „Les dessous de la Françafrique“.
Erste gescheiterte Verschwörung im Jahr 1959
Trotz des Abzugs der Franzosen hat das Hexagon weiterhin Interessen in Guinea. Das Unternehmen Pechiney, das umfangreiche Investitionen getätigt hatte, verarbeitete in seiner Fabrik in Fria Bauxit zu Aluminium. Angesichts des Flirts des guineischen Staatschefs mit Moskau und seinen Verbündeten befürchtet man auf Pariser Seite, dass diese Fabrik verstaatlicht werden könnte. Die Lösung ist der Sturz von Sékou Touré. Die Geheimagenten von SDECE und Foccart setzten sich in Bewegung, um einen Gewaltstreich zu versuchen.
Bereits 1959 wurde der erste Umsturz vorbereitet. Die Idee war, guineische Offiziere, die Sékou Touré feindlich gesinnt waren, in einem Nachbarland auszubilden und dort Komplizen zu finden, um Waffen einzuführen. Ein Land wurde gefunden: Senegal. Im Landesinneren wurde die Region Fouta Djallon ausgewählt, die Grenzregion zum Senegal, in der Frankreich Militärstützpunkte unterhielt, die den Dissidenten als Trainingsgelände dienten. Patrick Pesnot und Monsieur X geben Auskunft über diese Episode. „Im Senegal… können diese zukünftigen Rebellenoffiziere diskret von Männern des IIème choc ausgebildet werden, dem Bataillon, das das Personal für den „Aktionsdienst“ der SDECE stellt. In Guinea war geplant, sowohl einen Staatsstreich in Conakry als auch einen bewaffneten Aufstand in der Bergregion Fouta Djallon in der Nähe von Senegal auszulösen. Die Waffen können also ohne große Schwierigkeiten eingeführt werden.“
Intern finden die Regimegegner, die von Frankreich bestärkt werden, Unterstützung in den intellektuellen und wirtschaftlichen Kreisen, die bereits die Isolierung Guineas angesichts der politischen Entscheidung der Regierung in Conakry befürchten. Doch einer der Komplizen, ein Katholik, vertraute sich einem Prälaten seines Glaubens an. Letzterer verkaufte die Informationen unter Verletzung des Beichtgeheimnisses an einen hohen Beamten in Dakar. Paf! Die Nachricht erreichte den Quai d’Orsay, wo sie aus allen Wolken fallen. Der Minister für auswärtige Angelegenheiten, Couve de Murville, ist verwirrt. Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass Foccart den Coup allein mit seinen Netzwerken vorbereitet hatte. Aber ohne den französischen Staat. Die Operation wurde einfach eingefroren.
In Guinea wird dieser eingefrorene Gewaltstreich schwerwiegende Folgen für die Konsolidierung der jungen Nation haben. Die Region Fouta Djallon und ihre Bewohner werden als „revolutionsfeindlich“ wahrgenommen. Dies war ein Instrument, das die PDG zu ihrem Vorteil gegenüber ihren Gegnern oder denjenigen, die vermutlich aus der Region stammten, ausnutzte, da die Zahl der Ja-Stimmen in Mittel-Guinea im Vergleich zu anderen Landesteilen während des gaullistischen Referendums sehr hoch war. In Fouta hat natürlich das Nein gewonnen. Die hohe Zahl der Ja-Stimmen erklärt sich aus der Tatsache, dass die traditionelle Führerschaft, die in Guinea am 31. Dezember 1957 per Dekret der lokalen Regierung abgeschafft wurde, noch immer ihre Gültigkeit hat. Ansonsten hat die überwältigende Mehrheit der Wähler in dieser Region mit Nein gestimmt. Nicht nur die PDG hatte dort viele Anhänger, sondern auch die Führer aus der Region, Ibrahima Barry, bekannt als Barry III (Afrikanische Sozialistische Bewegung) und Barry Diawadou (Afrikanischer Block von Guinea), hatten ihre eigenen Anhänger und waren sehr aktiv für das Nein. Ohne die unheilige Allianz der guineischen Elite wäre das Nein natürlich nicht gewonnen worden. Außerdem haben die beiden ehemaligen Oppositionellen, die nach der Unabhängigkeit in die Regierung eingetreten sind und ihre jeweiligen politischen Parteien zugunsten der PDG zusammengelegt haben, später leider mit ihrem Leben bezahlt.
Die Aggression, die von der Elfenbeinküste ausgehen sollte
Abgesehen von dieser Episode sollten die Verschwörungen gegen Sékou Touré weitergehen. Jacques Foccart, ein Mann des Schattens und Liebling von Charles de Gaulle, der die „Demütigung“, die er durch Sékou Touré erlitten hatte, nie verziehen hat, fand andere Quellen, um die Glut wieder anzufachen. Ein Detail, das dem jungen Präsidenten, einem ehemaligen Gewerkschaftsführer, nicht entgangen ist, denn er war schon immer streitlustig. „Foccart ist der Hauptverantwortliche für alle in Afrika und insbesondere in Guinea organisierten Umstürze“, sagte Sékou Touré in einem Interview mit der britischen Fernsehagentur Visnc:ws im Mai 1971.
Der nächste Staatsstreich würde von der Elfenbeinküste aus vorbereitet werden; der letzte war nur eingefroren und würde ausreichen, um die Verschwörer zu reaktivieren. Allerdings, indem die Methoden geändert werden. Ein militärischer Angriff ist geplant. Sie haben wohl vergessen – oder nicht erkannt – dass Diktatoren paranoid sind. Der einst von republikanischen
Werten durchdrungene Chef von Conakry wurde im Laufe der Zeit zum Diktator und Paranoiker, weil er in die Enge getrieben wurde. So war er ständig auf der Hut, nicht überrascht zu werden. Unter diesen Voraussetzungen kann viel Schaden angerichtet werden.
Für den Rest dieser Folge wenden wir uns Patrick Pesnot und Monsieur X zu: „Und man muss feststellen, dass die französischen Initiativen nur dazu beigetragen haben, diese Besessenheit von Verschwörungen in ihm zu entwickeln. Der guineische Staatschef vermutet insbesondere, dass Männer aus seinem engsten Umfeld ihn absetzen wollen! Und er beschloss, als Erster seine Waffe zu ziehen. Im April 1960, vierzehn Tage vor der von der SDECE geplanten Operation, verhafteten seine Sicherheitsdienste diese mutmaßlichen Verschwörer. Diese Razzia löste eine Welle der Panik unter den wahren Verschwörern aus, die glaubten, entdeckt worden zu sein. Es war ein Aufschrei ‚Wir denunzieren uns gegenseitig. Einige greifen mit der Waffe in der Hand ein und riskieren dabei alles. Es endet in einem Massaker. Mehrere französische Staatsangehörige wurden verhaftet, Waffen wurden beschlagnahmt, das Versagen war offensichtlich, total!“
Von da an erkannte Foccart die Solidität des Regimes in Conakry, das zweifellos von der Unterstützung seiner Freunde im Osten profitierte. Sékou Touré nutzte die Gelegenheit, um einen Gegenschlag zu organisieren. Er hat die französischen Interessen eingefroren. Pierre Rossignol, ein in Guinea ansässiger und hier sehr bekannter Apotheker, der im Rahmen eines
Komplotts verhaftet wurde, wird zwei Jahre ins Gefängnis gehen. Foccart verzichtet auf ein weiteres solches Projekt. Zumindest für eine gewisse Zeit. Die Spannungen zwischen Conakry und Paris erreichten 1965 ihren Höhepunkt, als Sékou ein weiteres Komplott anprangerte und mehrere französische Minister ohne Beweise auf den Index setzte. Dies führte zu einem diplomatischen Abbruch, der erst ein Jahrzehnt später wiederaufgenommen wurde. Seitdem haben die beiden Länder gute bilaterale Beziehungen unterhalten.
Der Weg zur Wahrheit über die “ permanenten Verschwörungen “ wird über Paris führen
Die Guineer litten bis 1975, dem Jahr der Versöhnung, unter den Folgen dieser widersprüchlichen Beziehungen zwischen ihrem Land und der ehemaligen Metropole und darüber hinaus unter den diktatorischen Auswüchsen des ersten Revolutionsregimes. Doch Sékou Touré, der von Frankreich nicht verstanden wurde, war der ehemaligen Kolonialmacht nicht feindlich gesinnt. Außerdem war er ein typisches Produkt des Françafrique, eines Konzepts, das von seinem ehemaligen Mentor Félix Houphoët Boigny geprägt wurde. Als überzeugter Panafrikanist setzte er sich für die Unabhängigkeit seines Landes und aller unterdrückten Völker ein. Vom Feind in die Enge getrieben, verhalf ihm seine Paranoia dazu, in die Falle eines permanenten Komplotts zu tappen. Viele Guineer fielen dem ohne Gerichtsverfahren zum Opfer. Diese politische Gewalt, die nicht geahndet wurde, dauert bis heute an. Diese dunkle Periode unserer Geschichte ist, wie so viele andere, noch nicht aufgeklärt. Frankreich, das über die Archive verfügt, auch wenn die meisten Akteure aus dieser Zeit nicht mehr unter uns weilen, kann Guinea dabei helfen, diesen Teil seiner Geschichte gemäß den Standards aufzuklären, die für die Freigabe von als Staatsgeheimnis eingestuften Akten erforderlich sind.
Für uns Guineer ist der gerade begonnene Übergang eine Gelegenheit, unsere Vergangenheit während dieser 63 Jahre mit Objektivität und Liebe zum Land zu hinterfragen. Ein verpatzter Übergang wird nur eine multidimensionale, latente und asymmetrische Krise einschläfern, deren Erwachen fatal wäre. Es ist keine zivile Macht, die an der Wahlurne entstanden ist, die diese nationalen Treffen abhalten wird. Alpha Condé, ein ehemaliger Insasse der Todeszelle und historischer Gegner, hat das Offensichtliche bewiesen. In den 11 Jahren seiner Herrschaft ist es ihm nicht gelungen, die Guineer zu versöhnen. Um jedoch den Kommunitarismus, die Ethnostrategie und die Straflosigkeit zu beseitigen und die Grundlagen für einen Rechtsstaat mit soliden Institutionen zu schaffen, ist die Versöhnung der erste Schritt. Um Ressentiments zum Schweigen zu bringen, müssen wir unmissverständlich miteinander sprechen. Ich freue mich auf die nationalen Konferenzen über Gerechtigkeit, Wahrheit und Versöhnung.
Oumar Kateb Yacine
Consultant-Analyste
Präsident des Institut Afrique Emergente
E-Mail: yacinebah@gmail.com
*Der 1945 gegründete SDECE wurde zur DGSE (Direction Générale de la Sécurité Extérieure), manchmal auch einfach als Externe Sicherheit (SE) bezeichnet, und ist seit 1982 der Nachrichtendienst Frankreichs.