Todestag PD. Dr. med. Ralf Matkowitz

 in Berufswelt

Vor einem Jahr, am 9. September 2015 fand in der Klinik Rotes Kreuz in Frankfurt am Main die Trauerfeier für unseren verstorbenen Kollegen Ralf Matkowitz statt. Ich veröffentliche im folgenden meine dort gehaltene persönliche Dankesrede:

Dr. Ralf Matkowitz ist am 23.8.2015 verstorben und vor sechs Tagen auf dem Friedhof Leipzig-Gohlis beigesetzt worden. Herr Sevecke, Frau Dr. Schneider und ich haben ihn aus der Klinik auf seinem letzten Weg begleitet. Ich habe mir erlaubt, die Anteilnahme der Ärzteschaft und aller Schwestern und Pfleger der Station 4 den Angehörigen zu übermitteln.

Vor knapp 20 Jahren fuhr ich mit meinem damaligen Praxis-Partner von Offenbach nach Leipzig, um an einer OP-Hospitation im Parkkrankenhaus teilzunehmen. In der erst seit wenigen Jahren wieder gesamtdeutschen, ehemaligen DDR-Metropole Leipzig wurde bereits seit Jahren eine fortschrittliche, moderne Chirurgie betrieben. Die laparoskopische, die minimal-invasive Chirurgie befand sich hier auf einem hohen Stand und einer ihrer Protagonisten war Ralf Matkowitz.

Als ich mit meinem Kollegen in die OP-Abteilung kam, war Ralf Matkowitz schon eingeschleust, stand im OP mit Haube und Mundschutz und hatte trotz dieses distanzierenden Äußeren uns schnell für seine Person und seine Profession eingenommen. Die anschließende laparoskopische Gallenblasenentfernung war für mich als laparoskopischen Grünschnabel ein ebensolches Erlebnis wie eine vorangegangene Szene in der Umkleidekabine anlässlich meines eigenen Einschleusens. Ich traf dort einen weiteren, in der orthopädisch-unfallchirurgischen Abteilung des Krankenhauses hospitierenden Chirurgen. In Unterhose nebeneinanderstehend, sich in die OP-Kleidung einzwängend frug ich ihn, woher er denn komme. Auf die Antwort, er käme aus Wurzen, fiel mir ein: Ah, da wohnt auch ein Vetter von mir und der ist auch Chirurg. Als der Kollege mich nach dessen Namen fragte und ich ihm diesen nannte, sagte er: Eh, das bin ich doch!!! Mein „DDR-Cousin“ halb nackelig in der Umkleidekabine, jahrelang nicht gesehen und im Adamskostüm nicht wiedererkannt!

So hatte das Zusammentreffen mit Ralf Matkowitz für mich auch von Anfang an eine persönliche, familiäre Note: Nach Jahren der Trennung ein Wiedertreffen mit einem Vetter, eine Familienzusammenführung.

Ralf Matkowitz, der damals schon Praxisinhaber und Leiter der chirurgischen Abteilung in Hardheim, Kreis Mosbach war, brauchte nur noch wenige gemeinsame Treffen und Überlegungen, um nach Frankfurt am Main zu wechseln. Eng verbunden war diese Entscheidung auch mit der Möglichkeit einer eigenen Familienzusammenführung: Regine, seine Frau, Frau Dr.Ritter, lebte und wohnte in Mannheim und konnte beruflich ins Rhein-Main-Gebiet wechseln, wo sie beide dann eine gemeinsame Wohnung in Wiesbaden bezogen.

Nach einigen gescheiterten Versuchen unsererseits, eine gemeinsame chirurgische Praxis zu führen, konnte Ralf Matkowitz schließlich von meinem ehemaligen Oberarzt-Kollegen in Frankfurt den Praxissitz übernehmen und im Dornbusch neben seiner Tätigkeit als Belegarzt eine kassenärztliche Praxis eröffnen, welche er bis zu seinem 67.Lebensjahr führte. Seit über zehn Jahren hat er nun an der Klinik Rotes Kreuz „sein“ Adipositaszentrum aufgebaut; nach der altersbedingten Abgabe seines Kassenarztsitzes hat er sich  zunehmend mehr seinem ärztlichen und chirurgischen Steckenpferd, der Adipositas-Behandlung gewidmet.

Gegen zeitweise große Widerstände von Verwaltungs- und Krankenkassenseite, gleichzeitig aber auch mit unsäglich viel Unterstützung von Kollegen und Pflegepersonal des Rotkreuz-Krankenhauses baute Ralf Matkowitz ein breites persönliches Netzwerk auf und hat das Adipositas-Zentrum zu dem gemacht, was es heute ist: eine weit über die Grenzen von Frankfurt hinaus bekannte Anlaufstelle für Menschen mit extremem, mit krankhaftem Übergewicht.

Das Adipositaszentrum Frankfurt, nicht konkurrenzlos im Rhein-Main-Gebiet, stand vollkommen unter dem guten Stern Ralf Matkowitz, einem Mann, der seine ganze Empathie, seine souveräne wissenschaftliche und chirurgische Kompetenz und sein bis ins Persönliche reichende Engagement in diese Arbeit steckte. Dass er dabei einiges vernachlässigen musste und vielleicht sogar am Schluss darüber vergaß, dass er die 75 Jahre bereits überschritten hatte, ist für mich ein Ausdruck seiner grenzenlosen Selbstlosigkeit, seiner immerwährenden Fürsorge, aber auch einer gewissen Genialität.

Ralf Matkowitz’s ärztliches und chirurgisches Ansehen wurde ergänzt, bzw. basierte auf eine tiefen Menschlichkeit. Seine genannten ärztlichen Tugenden konnte er nicht beim Verlassen der Klinik und des OP-Saales an den berühmten Nagel hängen. Hiervon profitierten alle Menschen, die mit ihm zusammenkamen, ob im Café nebenan wie die netten eritreischen oder russischen Mädchen der Bedienung, der Italiener um die Ecke, der Türke mit der mexikanischen Gaststätte. Oder im Zug der Schaffner, im Hotel die Bediensteten usw.

Ralf’s Geselligkeit war sprichwörtlich. Ob in Feierrunden mit dem OP-Personal, der Intensiv-Station, auf dem Weihnachtsmarkt mit Schwestern und Pflegern der Station 4 (ehemals E) oder im kleinen Kreis: Die alten Geschichten aus der DDR und Abenteuer, welche an solche des Grafen von Münchhausen erinnerten, belebten jedes Treffen mit Ralf Matkowitz.

Dazu kam ein umfassendes Allgemeinwissen, welches er seiner Ausbildung als Chirurg und Urologe in der DDR, seiner Tätigkeit in der Pathologie und seiner Forschung auf dem Gebiet der Ernährung, aber auch seiner ersten Ausbildung als Garten- und Landschaftsgestalter verdankte. Dass er den bekannten Werbeslogan der FAZ „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“ und dem daraus folgenden Umkehrschluss für die BILD „Dahinter steckt immer ein dummer Kopf“ lügenstrafte, war für mich ein Beispiel, Schwarz-Weiß-Denken abzulegen. Ralf Matkowitz war ein Vorbild.

In der Klinik war er jahrelang Ärztlicher Direktor, also ärztlicher Ansprechpartner der Klinikleitung. Aber auch der „Sprecher“ der Ärzte gegenüber der Klinik und Repräsentant der Ärzteschaft nach außen. Standhaftigkeit, Geradlinigkeit und Humanität prägten seine Amtsperiode. Er war somit auch maßgeblich an der organisatorischen Vereinheitlichung der Belegärzte in unserer GBR beteiligt, die heute das Sprachrohr der Beleg- und Honorarärzte ist und die organisatorische und Weiterbildungs-Oberhoheit über die Assistenten der Klinik hat. Ralf Matkowitz war ein Gestalter, Ralf Matkowitz war ein guter Lehrer. Zahlreiche Kollegen und OP-Schwestern konnten Jahr für Jahr zur Fortbildung in minimal-invasiver Adipositas-Chirurgie mit nach Leipzig fahren, wo er zusammen mit Prof. R.Weiner die praktischen OP-Kurse in der Veterinär-Medizin der Uni Leipzig leitete und organisierte.

 

Eigentlich hatten wir beide noch einiges vor. Nicht nur unsere Zusammenarbeit an der Klinik nach dem Beenden meiner eigenen Praxistätigkeit vor einem Jahr war eine neue Form der gegenseitigen Bereicherung. Hätte Ralf Matkowitz den Ausstieg aus seiner Praxis- und Krankenhaustätigkeit noch geschafft, hätten wir auf einem der nächsten Feste der Klinik in alter Tradition der Kollegen Jestädt und Lucic oder Frau Schwab ein kleines Konzert als Duo von Piano und Violine geben können. Sein schöner Flügel stand zu Hause bereit! Seine Liebe zur Musik, zu Blues und Bach, zu Tango und Trompete stand auch in einer familiären Tradition: Sein Vater arbeitete für die berühmte Piano-Fabrikation Blüthner in Leipzig.

 

Liebe Trauergäste, die Nachricht vom plötzlichen Tode von Ralf Matkowitz erreichte mich in einer der für mich schönsten Ecken dieser Welt. Vor 5 Jahren, im März 2010 war ich hier das letzte Mal gewesen und zwar zusammen mit Ralf:

Im Oberengadin, im kleinen Schweizer Ort Maloja. Hier, wo die Künstler-Familie Segantini ihre Heimat, ihre Inspiration und ihre letzte Ruhestatt fand, kamen mir jetzt bei aller Trauer, bei allem Schmerz über den Tod des Freundes wunderschöne Erinnerungen hoch. Wir bewunderten damals Segantinis Gemälde-Triptychon „Werden, Sein, Vergehen“. Es waren auch Erinnerungen an gemeinsame Langlaufausflüge in einer licht- und sonnendurchfluteten Bergwelt, in einer schneeverwöhnten Seenlandschaft, in der sich Friedrich Nietzsche zu seinem Zaratusthra animieren ließ. Und: Erinnerungen an gemeinsame visuelle und kulinarische Hochgenüsse.

 

Werden – Sein – Vergehen!

 

Das ist der Lauf und eigentlich auch Sinn allen Lebens auf diesem Planeten. Ralf Matkowitz hat für sich das Beste aus dieser wunderbaren Lebensaufgabe gemacht: Die eigentlich reine Beschreibung unser aller Lebensablaufes, mit einem dynamischen Anfang und einem dynamischen Ende, hat Ralf Matkowitz vorbildlich mit Sinn gefüllt. Ralf Matkowitz hat dieses Prinzip gelebt!

 

Allegra Ralf!

Frankfurt am Main, den 09.09.2015